Zur Stadtplanung – Gedanken über unsere gebaute Umgebung

Zur Stadtplanung – Gedanken über unsere gebaute Umgebung
Luftbild VOGIS 2023 - mit Rohrbachsiedlung mittig im Bild

Wenn Häuser wie Pilze aus dem Boden schießen

Immer wieder fallen uns Bauten auf, die scheinbar über Nacht entstehen. Schlichte Quader, begrenzt von Grundstücksgrenzen, allseits gleicher Abstand, meist dreigeschossig, rational und schnörkellos. Zum Wohnen gedacht, möglichst günstig und doch für normale Gehälter sehr teuer. Gut isoliert, dreifach verglast, weiß, grau, schwarz oder bräunlich – wie eben so üblich.

Daneben gibt es jene Bauprojekte, bei denen man schon an der Baugrube erkennt, dass unser Standard sehr hoch geworden. Tiefgarage, Auf- und Abfahrten, großzügige Zufahrten – alles deutet auf gehobene Wohnqualität und zeigt an, dass unsere Auffassung von Lebensqualität noch immer mit einem großen motorbetriebenen Fuhrpark eng verknüpft ist. Und auch hier sind die Farben weiß, grau oder bräunlich – nur diesmal ganz bewusst gewählt. Das mag oberflächlich wirken, und doch lohnt es sich, genauer hinzusehen.

Stadt oder bloß Häuser?

Warum heißt dieser Beitrag „Zur Stadtplanung“, wenn doch nur von Häusern die Rede ist?
Weil Häuser zwar keine Stadt sind – aber das Bild einer Stadt formen. Wenn wir an Orte denken, die wir gerne besuchen, dann an solche, deren Stadtbild uns etwas fühlen lässt. Orte, deren Erscheinung ein bestimmtes Lebensgefühl transportiert.

Gleicher Bildausschnitt um 1930 (Quelle: VOGIS)

Aber welches Stadtbild ruft etwa der Name Dornbirn hervor?
Wir lassen Ihnen einen Moment Zeit …

Fehlt da nicht etwas? Der Rest der Stadt scheint im Alltag zu verschwinden – unbemerkt, unbedeutend, kaum wahrgenommen. Natürlich muss nicht jede Ecke ein ästhetisches Feuerwerk sein, aber gar nichts?

Gleicher Bildausschnitt um 1950 (Quelle: VOGIS)

Stadtplanung – was kann man eigentlich planen?

Stadtplanung ist kein statischer Vorgang. Sie gleicht einer Operation am offenen Herzen:
Alles ist in Bewegung, Altes verschwindet, Neues entsteht, manchmal unerwartet.

Wo sind die Bilder der Vergangenheit, die man weiterbauen könnte?
Welche davon sind schon verloren?
Stadtgestalt entsteht nicht über Nacht – und das Gestern wird oft erst heute sichtbar.

Vielleicht hilft ein Innehalten, ein Hinterfragen.
Wer bestimmt über das Stadtbild?
Wer macht es sichtbar und verständlich?
Und: Haben wir überhaupt die richtigen Werkzeuge, um darüber zu sprechen – gemeinsam, öffentlich, nachvollziehbar?

Gleicher Bildausschnitt (mit Rohrbachsiedlung) um 1970 (Quelle: VOGIS)

Das oft übersehene Fundament: das Grundstück

Ein Aspekt der Stadtplanung bleibt meist unbeachtet: das Grundstück selbst.
Es wird erst sichtbar, wenn ein Gartenzaun steht oder ein Streit entsteht – oder im Grundbuch.

Doch genau hier beginnt Stadtplanung. Denn die Verfügbarkeit von Grundstücken bestimmt maßgeblich, wie eine Stadt wächst.

Der Unterschied zwischen alten Stadtzentren und neueren Stadträndern zeigt das deutlich:
Früher waren Böden landwirtschaftlich genutzt, später wurden sie zu Baugrund. Mit der Industrialisierung änderten sich die Besitzverhältnisse – ehemals wertloser Boden wurde zu Kapital.

Menschen zogen in die Städte, die Bevölkerungszahl stieg, neue Baugebiete entstanden.
Zunächst dort, wo der Boden fruchtbar und gut erschließbar war. Später, mit besseren technischen Möglichkeiten, auch weiter draußen.

Rohrbachsiedlung um 1990 (Quelle: VOGIS)

Wenn Wachstum zum Selbstläufer wird

Weil Grundstücke zu unterschiedlichen Zeiten verfügbar waren, wuchs die Stadt ungleichmäßig – oft ohne übergeordneten Plan.
Öffentliche Interessen spielten dabei lange eine untergeordnete Rolle.

Solange genug freie Flächen da waren, funktionierte das System. Grundstücke wurden je nach Bedarf gewidmet, Straßen und Leitungen folgten den Parzellen.
Erst als die Dichte zunahm, kam die Infrastruktur nach: Abwasser, Kanalisation, Regenwasserableitung.

Doch diese Entwicklung hat Folgen:
Je weiter die Stadt in die Fläche wächst, desto größer wird der Aufwand für Infrastruktur – Straßen, Kanäle, Leitungen.
Versiegelung nimmt zu, Grundwasser versickert weniger, die Kosten für die Allgemeinheit steigen.

Rohrbachsiedlung um 2012 (Quelle: VOGIS)

Baureserven im Inneren – Druck am Rand

Viele Flächen innerhalb der Stadt sind unbebaut – sogenannte Baureserven oder Bauerwartungsland.
Sie werden aufgespart von denen, die sie besitzen – für schlechtere Zeiten – während an den Rändern neue Flächen aufgeschlossen werden müssen für die, die Baugrund zum Wohnen brauchen.

Das hat zwei Folgen:

  1. Die Infrastruktur (Wasserleitungen, Kanal, Straßen etc. ) muss weiter wachsen, was enorme Kosten verursacht.
  2. Immer mehr wertvolle Landwirtschaftsflächen gehen verloren.

Solange wir das nicht als gemeinsames Problem erkennen, wird das Stadtbild weiterhin dem Zufall überlassen bleiben.

Rohrbachsiedlung um 2022 (Quelle: VOGIS)

Was getan werden muss

Damit Stadtplanung wieder zu einer öffentlichen Aufgabe wird, braucht es mehr Offenheit und Dialog. Konkret heißt das:

  • Regelmäßige öffentliche Diskussionsrunden mit Expert:innen und Bürger:innen
  • Transparente Kommunikation über Ziele, Hintergründe und Planungsprozesse
  • Abwägung zwischen privaten und öffentlichen Interessen

Dazu kommen klare Instrumente, die genutzt werden müssen:

  • Flächenwidmungspläne, um Nutzungen und Vorbehaltsflächen zu sichern
  • Verbindliche Bebauungspläne, um langfristige Entwicklung zu ermöglichen
  • Ökologische Maßnahmen wie Entsiegelung, Dachbegrünung, Regenwasserrückhalt und Baumschutz
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Ein Fazit

Stadtplanung ist weit mehr als das Errichten einzelner Gebäude.
Sie formt unser tägliches Umfeld – und damit unser Lebensgefühl.

Wenn wir wollen, dass unsere Städte mehr sind als funktionale Ansammlungen von Häusern, müssen wir anfangen, gemeinsam über sie zu sprechen.
Nicht nur in Ämtern oder auf Baustellen – sondern als Gemeinschaft, die weiß, dass Stadt auch immer Kultur, Identität und Zukunft bedeutet.

Mag. Arch. Wolfgang Juen