Vom Naturdenkmal zum Steinbruch

Ein Stück Geschichte der weithin bekannten, faszinierenden Rappenlochschlucht in Dornbirn. Und ein Ausblick auf eine mögliche Wasserkraftnutzung des Staufensees.

Das Rappenloch

Jedes Kind in Vorarlberg kannte die Rappenlochschlucht. In unzähligen Schulausflügen wurde sie von fröhlichen Kindern durchwandert: Der kühle Sprühregen der Wasserfälle, die finsteren Durchschlüpfe, die Entdeckungen nach jeder Wegbiegung machten diesen Ausflug unvergleichlich. Die Erwachsenen kannten die Rappenlochschlucht ebenso. Denn auch sie haben sie bereits als Kinder besucht und besitzen glückliche Erinnerungen an sie. Die Schlucht war auch ein Gästemagnet. Man konnte sie vom Gütle aus nach oben durchwandern mit dem blinkenden Auge des Staufensees als Endpunkt. Oder man durchmaß sie in umgekehrter Richtung vom Staufensee aus und kehrte über dem tosenden Zusammenfluss der Ebniter- und der Kobelache im Rappenlochstadel oder im Monarchie-geprägten Gasthof Gütle ein.

Zurecht war die Rappenlochschlucht aufgrund ihrer einmaligen Naturschönheit als Naturdenkmal geschützt. Gleichzeitig stellte ihr Besuch ein äußerst volkstümliches Vergnügen dar, das praktisch niemanden körperlich überforderte und alle Sinne erfreute. Dass sie zudem von industrieller Bedeutung war und seit mehr als 100 Jahren zur Stromproduktion beitrug, hat der Anziehungskraft keinen Abbruch getan.

© Juliane Alton

Die wilden Felsschluchten, in die sich die Ebniter Ache am Rand der Dornbirner Berge gesägt hat, sind alljährlich das Wanderziel Zehntausender Menschen. Durch ähnliche Klammen brechen auch andere Seitenflüsse des Alpenrheins in das Haupttal durch, aber kaum eine Schlucht ist so gut erschlossen wie das Rappenloch, wenige bieten einen industriegeschichtlich so interessanten Einblick.

Die Stadt Dornbirn erhält die Wege in den Schluchten, was nach jedem Winter, nach Steinschlag, Windwurf und Schneerutsch durchaus kostspielig ist. Dennoch ist der Eintritt frei.

Geologie und Energie

Die engen Schluchten etlicher Rheinzuflüsse sind Durchbrüche durch harten Schrattenkalk. Im Zug der alpinen Gebirgsbildung wurden Kalkablagerungen aus den urzeitlichen Meeren hochgefaltet. Gerade im Rappenloch ist die Faltenstruktur an etlichen Stellen gut zu erkennen. Deshalb war die Rappenlochschlucht auch für geologisch Interessierte stets ein beliebtes Ziel.

Die geschichtete Faltenstruktur bedingt jedoch auch Klüfte, Trennflächen zwischen den Schichten, die normalerweise durch Kalkstrukturen verwachsen sind, die bei Belastung jedoch durchreißen können. Dadurch können Felsformationen destabilisiert werden.

Die Ebniter Ache, welche die Rappenlochschlucht als Gebirgsbach durchfließt und sich im Gütle mit der Kobelache zur Dornbirner Ache vereinigt, führt im Allgemeinen nicht allzu viel Wasser. Sie schwillt jedoch bei Unwettern und Regenfällen im Firstgebiet stark und sprunghaft an, reißt große Mengen an Geschiebe mit sich und durchströmt Dornbirn als braune Wasserwalze – gebändigt durch die aus Flussbausteinen gemauerten Ufermauern aus der „Negrelli-Zeit“. Badende mussten immer schon auf die Wetterentwicklung im First achten, um bei Unwettern das Bachbett schnell verlassen zu können.

Die Ebniter Ache wurde, wie viele andere Bäche bereits im 19. Jahrhundert von Betrieben der Textilindustrie für die Energiegewinnung genutzt, auch wenn sie dafür angesichts ihrer wechselnden Wassermengen und des vielen Geschiebes nur bedingt geeignet erschien. Ein erstes Kraftwerk nahe dem Gütle ging schon 1863 in Betrieb, um die Spinnerei mit Energie zu versorgen. 1899 wurde auf einer vormaligen Geschiebesperre durch die Stauweihergenossenschaft eine 22m hohe Staumauer errichtet, um die Energiekapazitäten besser auszuschöpfen.

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An fast allen Bächen gab es kleine Kraftwerke, sogar am Küfer-, am Gechelbach und am Quellbächlein im Schwefel. Holz und (ab 1872 mit dem Eisenbahnanschluss Dornbirns auch) Kohle waren teuer und wurden nur bei Bedarf in der Industrie eingesetzt.

Ebnit

Das Walserdorf Ebnit wurde ursprünglich von Hohenems aus erschlossen. Nach Ende der Walserfreiheiten im Jahr 1539 wurden die Ebniter:innen Leibeigene der Emser Grafen. 1806 wurde Ebnit eine selbständige, freie Gemeinde. Die Eingemeindung in Dornbirn erfolgte 1932, nachdem zuvor ein Finanzierungsvertrag zwischen beiden Gemeinden über den Bau der Ebniterstraße abgeschlossen wurde, die 1927 fertig gestellt wurde. Deren Kosten sowie die Folgen eines Großbrandes in Ebnit überforderten die finanziellen Möglichkeiten des kleinen Dorfes. Die Selbständigkeit wurde aufgegeben.

Die neue Erschließung vom Dornbirner Stadtgebiet aus durch die Schlucht war von Anbeginn ein schwieriges Unterfangen. Von Alters her gab es nur die Ammansbrücke über die Kobelache und weiter oben eine Furt über die Ebniter Ache. So konnte Ebnit von Dornbirn aus erreicht werden. Auch über Spätenbach und den Hohen Gang gab es eine alte Verbindung von Dornbirn ins Ebnit. Zuvor verlief der direkte, übliche Weg über das Fluhereck von Hohenems aus.

Schluchten eignen sich nicht gut für den Wegebau. Sie sind das Ziel allen Gerölls, das sich von den Hängen löst. Und Schluchten sind in Bewegung. Das Wasser arbeitet an ihren Wänden, sprengt Risse auf und lässt Felsteile abstürzen. Eine Bergschulter wird für den Wegebau normalerweise eher gewählt als eine Schlucht. Doch der Weg über Kehlegg und Rudach ist beträchtlich länger und führt ebenfalls durch schwieriges Gelände an der Kobelache. Daher wurde die Schluchtstrecke für die gut neun Kilometer lange Straße gewählt.

Die erste Rappenlochbrücke von 1927 wurde bereits 1955 durch jene Bogenbrücke ersetzt, die 2011 durch einen Felssturz in die Tiefe gerissen wurde. Die Stadt Dornbirn hatte zuvor schon festgestellt, dass die Ebniterstraße nur mit regelmäßigen, kostspieligen Erhaltungsmaßnahmen funktionstüchtig zu halten ist, auch weil die Straße ja insbesondere für Holztransporte aus den Wäldern um Ebnit und im Firstgebiet wichtig ist. Die Stadt Dornbirn und viele private Waldbesitzer:innen bringen auf der Ebniter Straße Holz in beträchtlichen Mengen zu Tal. Die Kosten für den Straßenerhalt werden seit einigen Jahren gemeinsam mit dem Land getragen. Dornbirn investierte darüber hinaus in Ebnit kräftig in die dörfliche Infrastruktur (Gasthaus, Kläranlage, Kanalisation, Wegebau). Rund um Ebnit befinden sich die Dornbirner Gemeindewälder, etliche städtische Alpen und das älteste Naturschutzgebiet Vorarlbergs (First-Hohe Kugel-Mellental). Der touristische Wert als Luftkurort ist schon lange bekannt.

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Die Offene Bürgerliste (Vorgänger der Dornbirner Grünen) zog 1990 schon mit Luft aus Ebnit in Dosen abgefüllt in den Wahlkampf.

Der Bergsturz 2011

Im Mai 2011 stürzte die 1955 errichtete Brücke aufgrund eines Felsabbruchs am oberen Brückenwiderlager in die Schlucht. Felsmaterial dieses Bergsturzes verlegte die Ebniter Ache ungefähr 175 Meter unterhalb des Staufensees. Der spektakuläre Wanderweg wurde aufgrund der Steinschlaggefahr unpassierbar, oberhalb des Felssturzes bildete sich bei Hochwasser ein kleiner See. Bei Niedrigwasser sickerte der Fluss durch das Geröll hindurch. Das Felsenkraftwerk am Fuß der Staumauer geriet zeitweise unter Wasser, das Unterwasser lief vom Kraftwerk nicht mehr ab.

© Juliane Alton

Eine Behelfsbrücke wurde von Pionieren des Bundesheers an die Stelle der abgestürzten Brücke gesetzt und sicherte in den folgenden Jahren die Straßenverbindung nach Ebnit. Ihre Tragkraft lag bei 26 t im Sommer, im Winter bei kaltem, spröderem Stahl galt eine Beschränkung von 20 t Gesamtgewicht.

Der Charakter der Schlucht wurde durch den Bergsturz zwar verändert, doch wurde schnell eine neue Wegführung für den Wanderweg gefunden, der jedoch wegen der Gefahr von Nachbrüchen und Steinschlag im Bereich des Bergsturzes nicht mehr in der Schlucht verlief sondern viel höher an der westlichen Felswand geführt wurde. Für die Errichtung investierte die Stadt Dornbirn rund 800.000 Euro.

Auf das regelmäßige Spülen des Sees mittels der „Tunnelfalle“ wurde in der Folge verzichtet, um das Felsenkraftwerk am Mauerfuß nicht durch Geschiebe zu verlegen. Deshalb verblieb das Geschiebe im See, der daher mittlerweile vollständig verlandet ist.

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Nicht zum ersten Mal: Im Jahr 1968 war das ursprünglich Speichervolumen des Sees von 130.000 m³ auf 40.000 m³ gesunken. In mehrjähriger Räumarbeit von 1977 bis 1980 wurde das Volumen wieder auf 120.000 m³ erhöht. Das entspricht einer Energiemenge von 9.090 kWh, die 19 mal pro Jahr aufgestaut und abgearbeitet werden kann.
Quelle: Der Staufensee in Dornbirn Ebensand. Technische Sanierung. Von Franz J. Huber.

Die Tunnelfalle, ein Durchlass mit etwa drei Metern Querschnitt vom See bis unterhalb der Staumauer hatte zum Flößen des Holzes gedient und sie wurde regelmäßig bei Unwetterereignissen geöffnet, um den See von Geschiebe zu befreien, Dass der See ein See bleibt und nicht zu einem Schlammloch wird, liegt im öffentlichen Interesse, denn der See ist Teil des touristischen Konzepts der Stadt. Auch der freie Ablauf des VKW-Kraftwerks Ebensand oberhalb des Staufensees liegt im öffentlichen Interesse. Der Erhalt des kleinen Kraftwerks liegt im privaten Interesse, angesichts des Bedarfs an erneuerbarer Energie auch im öffentlichen Interesse. Offen ist die Frage, ob es die beste Lösung für die Energie- gewinnung aus dem Staufensee darstellt.

Die Ebniter und die Kobelache sind Forellengewässer, weshalb das Spülen bestimmter Voraussetzungen bedarf, nämlich eines Hochwassers z.B. infolge von Gewittern. Das Kraftwerk Ebensand, früher im Besitz der Stadt, jetzt der VKW, benötigt ein Gefälle von etwa vier Metern zwischen Ablauf und Staumauerkrone. Es darf sich also nicht allzu viel Geschiebe im See ablagern, da dies in der Folge zur Verlandung des Ablaufs führen würde.

Das im Jahr 2004 in Betrieb gegangene private Kleinwasserkraftwerk am Fuß der Staumauer des Staufensees, das mittels der Fallhöhe vom See zum Mauerfuß etwa 0,85 MWh Energie im Jahr zu lieferte, geriet nach dem Absturz der Brücke bei Hochwasser regelmäßig unter Wasser. Der Betrieb wurde eingestellt, das Kraftwerk ging in Konkurs, nachdem die Eigentümer für das Graben eines Abflusskanals durch den Bergsturz keine Genehmigung der Behörde erlangen konnten. Die zuständige Behörde ließ die Grabungsarbeiten einstellen, weil die Gefahr von Nachbrüchen für in der Schlucht arbeitende Menschen zu groß erschien. Denn neben der Abbruchstelle ragte ein labiler „Balkon“ mit 3.500 m³ Gestein in die Schlucht. Der bereits in der Schlucht befindliche Bagger blieb darauf hin jahrelang in der Schlucht stehen und wurde mit Planken bedeckt, um ihn vor Steinschlag zu schützen.

Ein neuer Eigentümer des Kraftwerks, der es aus der Konkursmasse erworben hatte, erdachte ein umfassenderes Projekt, um das gleiche Ziel wie die Vorbesitzer zu erreichen: Eine Sprengung sollte die Gefahr des überhängenden Balkons bannen, dadurch wäre das Graben im Flussbett möglich, um den Ablauf des Kleinkraftwerks wieder frei zu legen. Zuvor sollte das obere Brückenwiderlager durch Felsanker befestigt werden. Denn die Pionierbrücke des Bundesheeres war nur als Provisorium gedacht. Eine neue Brücke an gleicher Stelle wieder zu errichten, war klares Ziel der Stadt.

Das Projekt mit Felsankern, Sprengung und anschließender Räumung des Flussbettes wurde von einem Ingenieursbüro aus dem Oberland ausgearbeitet und am 6.6.2017 im Stadtrat vorgestellt.

Von Stadträtin Juliane Alton wurde die Erweiterung des Gesamtprojekts eingefordert: Auch die Standfestigkeit der Staumauer, hinter der zu diesem Zeitpunkt schon mehr Geschiebe als Wasser lagerten, sei zu überprüfen und die Räumung des Stausees in das Projekt mit einzubeziehen. Denn über den Erhalt des Sees bestand politische Einigkeit. Der Landes- geologe erklärte in diesem Zusammenhang, wie die Ebniter Ache auf den Felssturz reagierte: Aktuell sickere ein großer Teil des Flusswassers durch den Felssturz hindurch. Erst allmählich würden die Zwischenräume durch feinen Sand und Schlamm gefüllt, was dazu führe, dass sich oberhalb des Felssturzes bei Hochwasser ein See aufstaue und das Wasser sich allmählich einen Weg freispülen werde.

In der Stadtratssitzung vom 6.6.2017 wurde der Beschluss gefasst, das obere Brücken- widerlager mittels Felsankern zu befestigen, den Felsbalkon abzusprengen und einen Kanal durch den Felssturz zu graben. Alton stimmte den Felsankern zu, die Sprengung und das Graben im Flussbett lehnte sie ab. Die Begründung war, dass es sich bei der Rappenlochschlucht um ein Naturdenkmal handle, in dem keinerlei landschaftsverändernde Maßnahmen, also keine Sprengungen ohne Notwendigkeit durchgeführt werden dürften.

Weiters brächten die Maßnahmen keinen öffentlichen Nutzen und seien daher nicht öffentlich zu finanzieren. Die Kosten beliefen sich auf geschätzte 795.000 Euro netto, ein Anteil von 270.000 für die Felsanker.

Am 23. März 2021 führte Stadträtin Juliane Alton ein ausführliches Gspräch mit dem Landesgeologen Dr. Walter Bauer, der anfangs Sprenungen im Rappenloch kritisch sah. In der von der Stadträtin angefertigten Gesprächsnotiz ist festgehalten:

Es hat von Anfang an Druck gegeben, eine Durchflusssektion für das Kleinkraftwerk zu machen. Die Tunnelfalle war funktionstüchtig, ihr Ausgang liegt hoch genug zum Spülen des Sees, das Kraftwerk wäre natürlich unter dem Geschiebe verschwunden.

Die erste Sprengung hat man gemacht, um unten arbeiten zu können. Der Überhang nach dem natürlichen Felssturz 2011 hätte eine Gefahr für Arbeiten unten im Flussbett bedeutet. Auf die Frage, ob Sprengungen den verbleibenden Fels destabilisiere, lautete die Antwort: Das Sprengen selbst stellt ein geringeres Problem für die Standfestigkeit des Felsens dar als der Aufprall der abstürzenden Gesteinsmassen. Durch den Aufprall wird das Trenn- flächengefüge destabilisiert. Calcitverbindungen in den tektonischen Klüften brechen.

Der Behörde wurde das von einem Ingenieurbüro ausgearbeitete Projekt zur Genehmigung vorgelegt. Die Sprengung wurde durchgeführt. Daraufhin wurde die Felsräumung im Flussbett wieder aufgenommen.

© Juliane Alton

Auf Hinweis der Grünen wurde die Einbeziehung des Staufensees in die Überlegungen einbezogen. Im Herbst 2017 überprüfte die Staubeckenkommission des Bundes die Standfestigkeit der Staumauer und die Sicherheit der Betriebsanlagen.

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In der Niederschrift vom 17.11.2017 ist festgehalten, dass die Talsperre eine ausreichende Standsicherheit auch für extreme Hochwässer erwarten lasse, die Betriebsanlagen wiesen jedoch eine unzureichende Einsatzbereitschaft auf, die für den uneigenschränkten Betrieb Voraussetzung seien.

Die Staubeckenkommission des Bundes begutachtete die Staufenseemauer und stellte ihr ein gutes Zeugnis aus. Spülungen des Sees über die Tunnelfalle unterblieben – zum Schaden des Sees, der weiter verlandete. Das Gesamtprojekt (Felsanker, Sprengung und Graben eines Kanals durch den Bergsturz) wurden am 22.6.2017 gegen die Stimmen der Grünen und der Neos in der Stadtvertretung beschlossen (wobei die Grünen die Felsanker befürworteten).

Direktvergabe der Brückenkonstruktion an ein bestimmtes Architekturbüro


Drei kleinere Brücken in Stahlbeton im Verlauf der Ebniterstraße waren vom Architekturbüro Marte.Marte bereits geplant und von der Stadt realisiert worden: Die Schanerloch-, die Schaufelschlucht- und Kohlhaldenbrücke. Die Brücken wurden als spannende Trilogie von Architekturzeitschriften hoch gelobt. Sie sind ähnlich in der Länge (unter 25 m), in der Bauweise (Stahlbeton) und auf statisch interessante Weise in das spektakuläre Umfeld eingebaut.

Die Rappenlochbrücke hat eine andere Dimension. Sie ist um vieles länger, nämlich etwa 70 Meter lang, sie hat ein starkes Gefälle von über 10% und überspannt die Schlucht an einer ihrer tiefsten Stellen. Das bedingt eigentlich eine andere Konstruktion, da der Bau eines Lehrgerüsts, um eine Stahlbetonbrücke dieser Form und Größe bauen zu können, einen unvergleichlich größeren Aufwand darstellt als bei den kleinen Brücken. Dennoch wurde dem Stadtrat am 24. Oktober 2017 zur Beschlussfassung eine Direktvergabe der Entwurfsgestaltung und Planung an das Architekturbüro Marte.Marte vorgelegt. Kostenpunkt für die Planung ohne „Nebenkosten“: 93.285,- Euro. Der Beschluss fiel gegen die Stimme der Stadträtin Juliane Alton. Sie sprach sich für einen Architekturwettbewerb aus.

Am 5. März 2020 brach spontan ein Felsüberhang mit etwa 10.000 Kubikmeter Gestein knapp oberhalb der ursprünglichen Felssturzstelle ab. Tags darauf gab es erneut einen kleineren Abbruch. Die Pionierbrücke wurde darauf hin gesperrt und kurz darauf abgetragen, obschon das obere Brückenwiderlager Stand gehalten hatte. Doch niemand hätte für ihre weitere Standsicherheit garantieren können. Ebnit war zunächst über Kehlegg erreichbar, bis die Umfahrungsstraße rund um den Staufensee in Betrieb genommen werden konnte, die in Rekordtempo errichtet wurde. Über die Ebniter Ache am Zufluss zum Staufensee wurde zunächst eine Furt errichtet, später fand sich eine passende Brücke, die mehr Durchfluss an dieser Stelle erlaubte. Der Wanderweg rund um den See wurde zur unattraktiven Straße.

Der Ebnit-Bus konnte nicht mehr im Stundentakt fahren, da die Umfahrung des Staufensees rund zehn Minuten kostete und für den Stundentakt dadurch ein Fahrzeug plus Fahrer mehr hätte eingesetzt werden müssen. Für die Mehrkosten von rund 180.000 Euro im Jahr fand sich keine Mehrheit.

Am 21. Juni 2021 wurde der Neubau der Rappenlochbrücke von der Stadtvertretung beschlossen.

Die Grünen hatten zuvor ein Alternativmodell zur Stahlbetonbrücke von Marte.Marte vorgelegt, das wohl schneller und zu geringeren Kosten zu errichten gewesen wäre. Diese Alternative wurde jedoch ohne eingehende Prüfung bereits im Tiefbauausschuss verworfen. Auch die geforderte Einrichtung zur Lastprüfung der querenden Fahrzeuge wurde – obschon von allen Fraktionen gebilligt – nicht eingebaut und auch nicht an anderer Stelle eingerichtet. Die Straße unterliegt einer jedenfalls berechtigten Tonnage-Beschränkung von 20 Tonnen, die bekanntermaßen von Holzfuhren regelmäßig überschritten werden.

Die Bauzeit der Stahlbetonbrücke betrug etwa drei Jahre. Die Baustelle war in jeder Hinsicht, schwierig: Eng, steil, schlechte Möglichkeit zum Umkehren. Dennoch ging die Errichtung unfallfrei und vergleichsweise zügig vonstatten, eine beachtliche Leistung aller Beteiligten.

Die Auflagen der Staubeckenkommission, zu der die Spülung des Staufensees gehörte, wurde bis heute nicht vollständig umgesetzt. Es gibt auch sonst wenige weitergehende Überlegungen für ein Gesamtkonzept für die Schluchten, den See, die Verkehrsführung und die Freizeitnutzung, abgesehen von einer Arbeitsgruppe „Verkehr-Gütle-Ebnit-First“, die am 11.5.2021 dem Stadtrat Daten zum Verkehr vorstellte.

© Dieter Jussel

Die Grünen stellten zusätzlich zu anderen Tragwerkskonzepten Überlegungen zur Wasserkraftnutzung des Staufensees an. Dafür wurde die Mauer ja ursprünglich errichtet. Die Stadt als Mehrheitseigentümerin der Staumauer hat die Möglichkeit, ein Wasserkraftprojekt zu entwickeln. Das Volumen hinter der Staumauer muss zuvor allerdings wieder hergestellt werden – eine Herkulesaufgabe, vergleichbar dem Ausmisten des Augias-Stalles. Es ist zu überlegen, ob eine größere Fallhöhe erreicht werden kann, indem die Abarbeitung ein gutes Stück unterhalb des Stausees passiert und die Stollen des früheren Schluchtweges für die Wasserführung genutzt werden. Experten halten das für möglich und plädieren für eine sorgfältige Planung.

Auch die Nutzung als Badesee wäre natürlich denkbar und würde, da die Entlandung ohnehin erfolgen muss, keinen allzu großen Aufwand verursachen. Der See ist öffentlich, zu Fuß und mit dem Fahrrad gut erreichbar, Sanitäreinrichtungen sind vorhanden, ebenso ein Kiosk.

Jetzt freuen wir uns zunächst einmal mit den Ebniter:innen und allen, die Ebnit gern besuchen, über die Inbetriebnahme der neuen Brücke. Sie erlaubt dem Bus wieder einen Stundentakt, der gern in die Abendstunden verlängert werden darf. Das bringt wieder mehr Menschen ins Berggebiet und fördert hoffentlich die Motivation der Alpenrose, sich wieder in den Dienst der Gäste zu stellen.

Mit der Eröffnung der Brücke ist es an der Zeit, das Gesamtprojekt wieder in den Blick zu nehmen. Es gibt eine Vielzahl an Chance, die genützt werden sollen.